Zeckenbiß mit Folgen
Veröffentlicht von hwk in JUNGE FREIHEIT · 18 September 2018
Tags: JF, online, Politik, D, 18.09.18, v, Felix, Krauthäuser
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Hans-Georg Maaßen (links) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
im Innenausschuß des Bundestags Foto: picture alliance/Bernd von
Jutrczenka/dpa
Angela Merkel hat den Daumen gesenkt – und Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich ihrem Willen gebeugt. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen muß seinen Posten räumen.
Er hatte es gewagt, der Kanzlerin im Streit über angebliche Hetzjagden
auf Ausländer in Chemnitz öffentlich zu widersprechen. Es ist kein
Geheimnis, daß Maaßen schon vorher nicht zu den Günstlingen Merkels
gehörte. Schließlich hatte er seit 2015 mehrfach auf die Risiken ihrer
Flüchtlingspolitik hingewiesen.
Als kleiner Trost winkt ihm nun ein Unterschlupf als Staatssekretär
im Bundesinnenministerium. Mehr wollte oder konnte CSU-Chef Seehofer für
seinen Spitzenbeamten nicht tun. Ihm dürfte es dabei auch weniger um
Maaßen gegangen sein als darum, in der Auseinandersetzung mit Merkel und
den Sozialdemokraten das Gesicht zu wahren.
Parteiinteressen vor innerer Sicherheit
Es ist allerdings bezeichnend, wie leichtfertig Merkel, und auch die
SPD, die innere Sicherheit Deutschlands in der Causa Maaßen aufs Spiel
setzen. Nicht ohne Grund warnte der frühere BND-Chef Gerhard Schindler,
eine Abberufung des Behördenleiters könne zu wachsendem Frust bei
Mitarbeitern und möglicherweise sogar einem Bruch zwischen Regierung und
Sicherheitsdiensten führen.
Wer angesichts der islamistisch-terroristischen Bedrohung sowie
wachsender Spionageattacken den Kopf des Inlandgeheimdienstes fordert,
nur weil ihm dessen politische Ansichten nicht passen, der stellt
parteipolitische Interessen über die Sicherheit der Bürger.
Es mag sein, daß Maaßens Äußerungen zu den Vorgängen in Chemnitz via Bild-Zeitung
nicht den diplomatischen Gepflogenheiten eines führenden Beamten
entsprechen, es gehört sich aber auch nicht für eine Kanzlerin und ihren
Regierungssprecher, auf Grundlage eines kurzen Video-Schnipsels den Ruf
einer ganzen Stadt zu beschädigen. Erst recht nicht, wenn das anonyme
20-Sekunden-Filmchen von einem ominösen linksradikalen Account mit dem
Namen „Antifa Zeckenbiss“ in Umlauf gebracht wurde.
Entscheidend ist weniger, was wirklich ist
Künftige Verfassungsschutzchefs dürften aus dem Fall vor allem eine
Lehre ziehen: Entscheidend ist weniger, was wirklich ist, entscheidend
ist viel mehr, wie die Kanzlerin es sieht.
Einen gravierenden Fehler hat jedoch auch Maaßen gemacht. Als er sich
in der vergangenen Woche mit Abgeordneten der Unionsfraktion im
Bundestag traf, versicherte er diesen: „Horst Seehofer hat mir gesagt,
wenn ich falle, dann fällt er auch.“
Man kann das als naives Vertrauen eines Beamten, der sich keiner
Schuld bewußt ist, in die Schutzpflicht seines Dienstherren abtun. Es
bleibt aber die berechtigte Frage, ob ein Geheimdienstchef, der sich auf
das Wort Seehofers verläßt, wirklich noch zu einer realistischen
Lageanalyse fähig ist.
Angela Merkel jedenfalls kann zufrieden sein. Sie hat sich – wieder
einmal – gegen Seehofer und die Schwesterpartei durchgesetzt. Und auch
über den eigentlichen Ausgangspunkt der Affäre um Maaßen redet kaum noch
jemand: die tödliche Messerattacke auf einen jungen Vater in Chemnitz,
mutmaßlich verübt von Asylsuchenden, die ihren Aufenthalt in Deutschland
Merkels Flüchtlingspolitik verdanken.